Vor zwei Jahren waren wir das erste Mal mit unserem Elektroauto ZOE im Urlaub in Osttirol. (Ich hatte ausführlich über diese Tour berichtet.) Letztes Jahr sind wir nirgends hin gefahren, weil unsere alt gewordene Labradorhündin das Autofahren nicht mehr vertrug. Im März dieses Jahres ist sie mit fast 16 Jahren verstorben (Träne wegwisch).
Nun können wir wieder lange Strecken fahren und sind im Juli 2017 erneut in Osttirol, im Nationalpark Hohe Tauern. Keine Angst, dieser Bericht wird kürzer als der von vor zwei Jahren. 😉
Es gibt nämlich im Grunde nur Erfreuliches zu berichten.
Ladeinfrastruktur wurde ausgebaut
Entlang der Autobahnen von Hannover in Richtung Süden sind inzwischen zahlreiche neue Schnellladestationen in Betrieb gegangen, an denen unsere 2013er ZOE 43kW AC ziehen kann und nur 30 Minuten braucht, um für die jeweils nächste Etappe genug Ladung im Akku zu haben.
Die Abstände zwischen diesen Ladestationen sind zudem so eng (selten mehr als 120km), dass ich etwas zügiger fahre als beim letzten Mal: Tempomat 100km/h und langsamere Fahrzeuge überhole ich mit 120km/h. Immer komme ich mit großzügiger Restreichweite an und hätte noch genug Reserve für Eventualitäten. Es gibt keine.
Laden für „umme”
Bei Tank & Rast gibt es den Strom sogar (im Juli 2017 noch) umsonst. Auf diese Weise kommen wir fast „für lau” bis nach Matrei in Osttirol und zurück; pro Strecke immerhin rund 850km.
Frei und funktioniert
Wir nehmen uns wieder 2 Tage Zeit für die Anreise, wie zu Verbrennerzeiten, die gefühlt für uns so weit zurückliegen wie das Erdmittelalter. Alle Ladestationen, die wir auf der Autobahn anfahren, funktionieren und sind weder zugeparkt noch durch andere ladende Elektroautos belegt. Die Tank & Rast Schnelllader geben den Ladestrom ohne irgendwelche Apps, RFID-Karten oder -Schlüsselanhänger ab, einfach Kabel ins Auto und über die Bedienelemente an der Ladesäule die Ladung starten. Für allego-Ladestationen nutze ich meine Naturstrom-Ladekarte und in Österreich laden wir an Smatrics- und TIWAG-Ladestationen mit meiner NewMotion-Ladekarte. Es funktioniert! Na bitte, geht doch.
Kleine Hürden
Ich habe den kindlichen Ehrgeiz, auf der Hin- und Rückfahrt nur kostenlose Ladestationen zu nutzen. Das klappt leider nicht ganz. Auf der Hinfahrt ist es die zur „weltweit ersten freien Solarroute“ gehörende Ladestation bei Fahnen-Gärtner in Mittersill, die zickt und uns auf den kostenpflichtigen Smatrics-Lader im M-Preis ausweichen lässt.
Die ZOE hat die Besonderheit, dass sie bei höheren Ladeleistungen abhängig von der Außen- und Akkutemperatur die Ladung gleich nach Ladebeginn kurz unterbricht, um erstmal ihre Ladelüfter anzuwerfen, damit die Leistungselektronik gekühlt wird. (Bei sehr hohen Außen- oder Akkutemperaturen aktiviert sie auch die hinteren Akkukühler, das ist insgesamt eine eindrucksvolle Geräuschkulisse. So sind sie, die ZOEs: beim Fahren still und beim Laden prollen sie rum.) Sind die Lüfter hochgefahren, signalisiert ZOE der Säule, dass es weitergehen kann. Dann klackt wieder vernehmbar das Schütz in der Säule und der Ladestrom fließt. Normalerweise.
Die Ladesäule bei Fahnen-Gärtner in Mittersill will nach der Ladeunterbrechung durch die ZOE den Ladestrom nicht wieder einschalten. Wir probieren es zwei Mal (Stecker rein, Schütz klackt, ZOE lädt eine Sekunde, unterbricht die Ladung, fährt die Lüfter hoch – und das war’s), dann geben wir auf und fahren zur nahegelegenen Smatrics-Ladesäule. Dort kostet die Ladung mit NewMotion 0,19 €/Min. (Sagt jedenfalls die NewMotion Website. Mal sehen, was letztlich auf der Rechnung stehen wird.)
Laden in Osttirol 2017
Matrei i. O.
2015 gab es in unserem Urlaubsort Matrei i. O. und der näheren Umgebung noch gar keine öffentliche Ladestation. Wir luden damals hauptsächlich mit unserer mobilen Ladebox an Kraftstrom-Anschlüssen an der „Alten Mühle” und an unserer Ferienwohnung.
2017 hat Matrei i. O. noch immer keine öffentliche Ladestation. Allerdings bieten nun zwei Hotels im Rahmen des „Tesla Destination Charging”-Programms Lademöglichkeiten für ihre elektromobilen Gäste an. Das Naturhotel Outside vermietet gar ein Tesla Model X und verleiht E-Mountainbikes. Cool!
Prägraten am Großvenediger
Die nächste öffentliche Ladestation befindet sich ca. 15km entfernt in Prägraten am Großvenediger. Im GoingElectric-Verzeichnis gibt es noch kein Foto von dieser Ladestation. Logisch, dass ich da hin muss, um eins zu machen. Im Verzeichnis steht, dass man zum Laden an dieser Ladesäule eine TIWAG-Karte braucht und ggf. eine im Gemeindebüro ausleihen kann. Ich rufe dort an und eine sehr nette Dame kümmert sich um mein Anliegen, das anscheinend auf höchster Ebene (Bürgermeister) koordiniert wird. Es ginge klar, ich könne vorbeikommen und die Karte leihen.
Als alter E-Hase mit Bergerfahrung traue ich mich, cool mit Restreichweite unter 10km dort anzukommen. Notfalls geht es ja zurück nur bergab. Die Ladekarte wird vom Bürgermeister persönlich ausgegeben, dieser ist jedoch gerade im Gespräch. Um die Wartezeit zu überbrücken, probiere ich spaßeshalber meine NewMotion-Ladekarte aus – und sie wird akzeptiert! Die Ladung startet, und ich kann den Ladevorgang noch am selben Tag in meinem NM-Account gelistet sehen. Mit NewMotion kostet die Minute hier nur 0,10 €.
Es ist sogar ganz ohne Karte und ohne Registrierung via emobility.community möglich, an dieser Ladestation zu laden. Dazu muss man einen QR-Code scannen und kann dann online z. B. mit Kreditkarte bezahlen. Das habe ich nicht ausprobiert, aber es ist sehr benutzerfreundlich, weil man sich nicht erst irgendeine funktionierende Karte besorgen muss, sondern spontan laden kann. Gut gemacht, Prägraten!
Ich fotografiere die Ladestation und lade die Bilder am Abend ins Verzeichnis hoch. Bei der Gelegenheit aktualisiere ich auch die Bezahlmöglichkeiten. Nicht, dass wieder mal jemand den Bürgermeister behelligen muss. 😉
Virgen
In Virgen gibt es in der Tiefgarage des Ortes zwar eine Ladestation; diese ist jedoch ausschließlich für das Virger Mobil bestimmt. 2015 hätte es uns bei akutem Bedarf eine nette Tourismus-Info-Frau ermöglicht, trotzdem hier zu laden. 2017 werden wir von der aktuellen Tourismus-Info-Frau relativ barsch abgewiesen. Ladegäste sind offenbar nicht erwünscht. Ja dann fahren wir eben da hin, wo wir während wir Geld für leckere Oschttiroler Koscht ausgeben auch laden können. Tschüss, Virgen.
Lienz
Auch in Lienz, ca. 27km südlich von Matrei i. O., gibt es inzwischen etliche öffentliche Ladestationen. Allerdings lassen sich nur wenige davon mit einer NewMotion-Karte freischalten. Für die an den attraktivsten Standorten benötigt man eine Ladekarte vom Lebensland Kärnten. Das Laden ist dort zwar kostenlos, aber ohne eine solche Karte geben die Säulen ihren Strom nicht ab. Die Karte muss man online beantragen, sie wird dann zugesandt. Unpraktikabel für Urlauber und Durchreisende.
Entdeckung am Tauernhaus
Im Vorbeiwandern am Matreier Tauernhaus (wo ich zusammen mit dem Wirt vor zwei Jahren erfolglos versucht hatte, unsere ZOE zu laden) sehe ich in diesem Jahr hocherfreut einen BMW i3 an einer Wallbox nuckeln. Na wenn da mal nicht jemand auf den Geschmack gekommen ist. 🙂
Diese Lademöglichkeit am Matreier Tauernhaus (am Südende des Felbertauerntunnels) steht Hausgästen (und wer da hinfährt, ist praktisch immer einer) zur Verfügung; laut Auskunft des Wirtes stellt sie bis zu 22kW AC bereit. Da ich nicht laden musste, habe ich es nicht ausprobiert. Es könnten auch nur 11kW sein, wenn ich mir das Kabel von der Wallbox zur CEE-Dose anschaue.
Der Strom kommt aus dem eigenen Wasserkraftwerk!
Rückfahrt
Für die Rückfahrt nehmen wir uns auch wieder zwei Tage Zeit. Der erste Reisetag zieht sich hin; es ist Ferienende und der Rückreiseverkehr staut sich. Aber alle Ladestationen funktionieren wieder und sind frei, sogar die bei Tank & Rast in Irschenberg, obwohl hier Sonntag Mittag der Bär steppt und die zwei Ladeplätze vor der Säule zwar markiert, aber für Verbrenner nicht explizit (halte-)verboten sind. Wir brauchen eine Viertelstunde, nur um von der Einfahrt in den Rasthof bis zur Ladesäule zu gelangen. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass da ein Platz frei ist. Einer ist, immerhin. Boah ey!
Stauumgehung
Ich lerne das einfach nicht. Schon so oft habe ich erlebt, dass die Alternativroute, die das Navi als Stauumgehung anbietet, sich als länger, umständlicher und nerviger erweist als die Staustrecke. Aber jedesmal tippe ich wieder auf „Ja”, wenn das Ding behauptet, eine schnellere Strecke gefunden zu haben und fragt, ob ich lieber diese fahren möchte.
Diesmal lotst uns das Teil am Spätnachmittag(!) durch eine größere Innenstadt(!). Ich weiß nicht, an wem sich die Navi-Programmierer rächen wollen. Nehme mir vor, künftig nun aber wirklich derartige Angebote konsequent abzulehnen.
Falsche Seite
Für die Tank & Rast Ladestationen hatte ich mir aus dem Going-Eletric-Verzeichnis die Geokoordinaten herausgesucht, weil diese Stationen keine richtige Adresse haben und ich dachte, mit den Koordinaten könne nichts schiefgehen. Bei einer dieser Ladestationen landen wir mit offenbar falschen Koordinaten und im Zusammenhang mit einer Stauumgehung allerdings auf der falschen Autobahnseite. Egal, das Laden funktioniert und die nächste Ausfahrt zum Wenden ist zum Glück nur einen Kilometer entfernt. Puh.
Verpasst
Weil ich wegen üppiger Restreichweite eine geplante Ladestation auslasse und prompt wegen Orientierungslosigkeit an der nächsten am Kirchheimer Dreieck vorbeifahre, wird es in den Kasseler Bergen etwas eng. Wir beschließen, nichts zu riskieren und fahren zu einer 22kW-Säule in Knüllwald ab (ich liebe diesen Ortsnamen). Hier laden wir eine knappe halbe Stunde und kommen so sicher bis zum Lohfeldener Rüssel. Diese beiden Ladestationen sind kostenpflichtig, so dass unsere Rückreise nicht ganz kostenlos bleibt. Es bringt uns nicht um.
Fazit
Im Vergleich zu vor zwei Jahren ließ sich dieses Mal dank der Schnelllader entlang der Autobahnen die Strecke viel schneller und bequemer fahren. Eigentlich braucht man fast gar keine Ladeplanung mehr. Die nächste Ladestation ist immer in Reichweite.
Bei Tank & Rast steht oft nur eine einzige Ladestation. Das könnte sehr bald knapp werden.
Elektroautofahren wird normal. Zeit wird es.