Enjoy the Silence

01.07.2014

Konditionierung

Dass Motoren laut sein müssen – und je stärker, desto lauter – halten wir nur für normal, weil wir in einer Welt aufgewachsen sind, in der sich Verbrennungsmotoren zum Antrieb von Straßenfahrzeugen und vielen Arbeitsmaschinen durchgesetzt haben – bislang.

Wir kennen es nicht anders.

Schon als uns unsere Eltern im Kinderwagen durch die Gegend geschoben haben, sind PKW und LKW an uns vorbeigedonnert und haben den Zusammenhang „Auto = Lärm” in unseren sich gerade bildenden Neuronennetzen verankert und seither durch immerwährende Wiederholung zementiert.

Mangels Vergleich konnten wir uns auch fast ein ganzes Jahrhundert lang nichts anderes vorstellen.

Dabei ist es ja nicht so, dass Elektromotoren ein Nischendasein fristen würden. Ohne Elektromotoren ist keine moderne Industrie vorstellbar. Nur die Verbindung Auto → Elektromotor haben wir irgendwie nicht hergestellt.

Statt dessen haben die Konstrukteure mit viel Aufwand und Kosten an der Lärmreduktion von Verbrennungsmotoren und ihrer Abgasstränge gearbeitet. Das Privileg nahezu geräuschloser Fortbewegung konnte man auch tatsächlich in Oberklasselimousinen genießen. Ausgeklügelte Schalldämmsysteme bis hin zu Antischallgeneratoren bescherten den Besserverdienenden dieser Welt eine Entspannung beim Fahren bzw. Gefahrenwerden, die in Massen-PKW mit ihrem permanenten Lärmpegel nicht aufkommen mag, trotz bzw. dank Verbrennungsmotor hier wie da.

Das wird jetzt mit Elektroautos anders. 🙂

Lärm vermeiden statt eliminieren

Wo Lärm gar nicht erst entsteht, muss er auch nicht aufwändig eliminiert oder mangels bezahlbarer Technologie ertragen werden. Und wir wissen ja: Lärm macht krank:

„Krach löst Stressreaktionen aus, Hormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol werden verstärkt gebildet, was wiederum den Blutdruck steigen lässt, die Herzfrequenz beschleunigt und die Blutgerinnung aktiviert. Schätzungen zufolge sind allein etwa 4000 Herzinfarkte jährlich in Deutschland auf Straßenverkehrslärm zurückzuführen.” (Quelle)

Elektromotoren sind nicht nur enorm effizient, sie entfalten ihre Kraft auch beinahe lautlos. Keine Explosion brennbarer und giftiger Substanzen verursacht Schallschockwellen. Die Magnetfelder in einem Elektromotor wirken auf einer gänzlich anderen physikalischen Ebene, auf der keine chemisch induzierte Materieumwandlung mit Reaktionsproduktausdehnung stattfinden muss, um Kraft in Bewegung zu verwandeln. Verglichen mit einem Elektromotor ist ein Verbrennungsmotor sowas von grobmotorisch! 😉

Erlebnis Elektroauto – endlich Ruhe beim Fahren

Die Fortbewegung in einem Elektroauto wird von den meisten Menschen, die es das erste Mal erleben, als sensationell ruhig erfahren. Je nach Konstruktion der Antriebssektion (Getriebe) ist allenfalls ein leises Sirren zu vernehmen. Vielen entgeht selbst dies, so dass es Modelle (wie auch die ZOE) gibt, die unterhalb von 30 km/h ein künstliches Geräusch erzeugen, um Fußgänger/innen zu warnen. (Ich selbst schalte dieses Geräusch in unkritischen Situationen immer ab, weil ich die Stille genießen will.)

Zum Fahrkomfort eines Elektroautos trägt nicht nur die Abwesenheit von Motorenlärm, sondern auch die Vibrationsfreiheit bei: Beschleunigung und Vortrieb erfolgen stufenlos, geschmeidig und „glatt”. Das Fehlen motorbedingter Vibrationen bei Elektroautos war mir, bevor ich die ZOE hatte, gar nicht bewusst, aber es trägt enorm zum empfundenen Fahrkomfort bei. Wie groß dieser Unterschied ist und wie viel er ausmacht, zeigt sich mir bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich mal einen Verbrenner nutzen muss. Ich komme mir dann vor wie in einem Museumsstück aus dem letzten Jahrtausend. Oh – bin ich ja praktisch auch. 😉

Neujustierung der Wahrnehmung

Mittlerweile, wenn ich in der Stadt an einer Ampel halten muss, meine ZOE keinen Mucks von sich gibt und auch keine Energie verbraucht, kommt es mir regelrecht abartig vor, welcher Lärmpegel draußen um mich herum herrscht. Bin ich gerade durch ein Wurmloch gefahren und in einer Parallelrealität gelandet? Wieso tun wir uns diesen Lärm und diesen Gestank an? Das ist doch nicht normal!

Vision

2014: Ich stehe als Beobachter an einer viel befahrenen Kreuzung. Ein stetiger Strom von PKW und LKW braust vorbei. Der Motorenlärm schwillt an und ab. Dann schaltet die Ampel auf Rot. Alle halten an. Die meisten Motoren laufen weiter. Besonders die Dieselmotoren nähen und nageln vor sich hin. Zweitaktrollerfahrer quälen ihre Motoren im Stand. Abgasgestank dringt mir in die Nase. Die Ampel schaltet auf Grün. Die Motoren heulen auf, der Lärmpegel schwillt schlagartig an und die Fahrzeuge dröhnen davon.

20??: Ich stehe als Beobachter an einer viel befahrenen Kreuzung. Ein stetiger Strom von elektrisch angetriebenen PKW und LKW fährt vorbei. Man hört nur die sanften Rollgeräusche der Reifen auf dem lärmgedämmten Asphalt. Dann schaltet die Ampel auf Rot. Alle halten an. Es wird still. Vogelzwitschern liegt in der lauen, nach Blüten duftenden Frühlingsluft. Die Ampel schaltet auf Grün. Die Fahrzeuge sirren leise davon.

Nachtrag

Frage:
Was machen dann aber die ganzen Auspuff-Fetischisten und die Vertreter der Dröhnfraktion?

Antwort:
1. wehwehweh.auspuff-attrappen.de
2. Gesetzlich erlaubt werden nur Soundgeneratoren, die eine Dröhnkulisse im Fahrgastraum erzeugen, von der nichts nach außen dringen darf. Das Öffnen der Fahrzeugfenster unterbricht automatisch deren Stromzufuhr.

Nachtrag Mai 2015

Nachtrag September 2015

Hallo Volkswagen, schön, dass ich euch inspirieren konnte! 🙂