Brennstoffzellen für Autos?

17.06.2014

Brennstoffzellen machen aus Wasserstoff und Luftsauerstoff Strom. „Hinten raus” kommt H2O, also Wasser. Coole Sache das. Sauber. Oder? Effizient. Nicht?

In schöner Regelmäßigkeit geistern seit 20 Jahren immer wieder Hype-Meldungen über den baldigen Serienstart von Brennstoffzellenautos durch die Presse.

Ich muss gestehen, dass ich früher auch mal glaubte, wir bräuchten nach dem Erdöl eine Wasserstoffwirtschaft. Inzwischen bin ich da eher skeptisch. Vor allem der Einsatz von Brennstoffzellen in Autos scheint mir inzwischen schon obsolet geworden zu sein – noch bevor wir überhaupt nennenswerte Stückzahlen von Brennstoffzellenfahrzeugen gesehen haben.

Brennstoffzellen als Rangeextender

Ein Brennstoffzellenauto ist ja nichts anderes als ein Auto mit Elektromotor, dessen Stromquelle eine Brennstoffzelle ist. Die wiederum wird mit Wasserstoff aus einem Tank versorgt. Was dieses Konzept auf den ersten Blick so attraktiv macht, ist die damit erzielbare Reichweite von mehr als 400 km mit einer Tankfüllung Wasserstoff. Außerdem lässt sich Wasserstoff schnell nachfüllen – Tanken fast wie vom Verbrennungsmotor gewohnt.

Nun verhält es sich aber so, dass Brennstoffzellen prinzipbedingt nur für relativ kontinuierliche Energieabgabe geeignet sind. Die Stromerzeugung in einer Brennstoffzelle lässt sich nicht flexibel genug an die schwankenden Anforderungen beim Antrieb von Fahrzeugen anpassen: Da werden in schneller Folge stark wechselnde Energiemengen benötigt.

Damit das trotzdem geht, braucht man auch in einem Brennstoffzellenauto einen Akku als Energiepuffer. Dieser Pufferakku bedient den oder die Elektromotoren des Antriebs direkt und wird sozusagen im Hintergrund von der Brennstoffzelle mehr oder weniger kontinuierlich nachgeladen.

Auch die beim Bremsen zurückgewonnene Energie kann nur in einem Akku (oder einem Kondensator) gepuffert werden. Sie kann mit einer Brennstoffzelle ebensowenig in Wasserstoff zurückverwandelt werden wie ein herkömmlicher Verbrennungsmotor aus der Bremsenergie wieder Sprit machen kann. Auch für die Rekuperation braucht man also einen Akku.

Ein Brennstoffzellenauto ist also im Prinzip nichts anderes als ein Elektroauto mit Reichweitenverlängerer (neudeutsch  Rangeextender oder kurz REX). Nur das der REX hier eben kein Generator ist, der von einer Verbrennungskraftmaschine angetrieben wird, sondern eine mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle.

Diese Technologie wird aber in dem Moment obsolet, in dem der Pufferakku selbst so viel Strom speichern kann, dass akzeptable Reichweiten auch ohne Rangeextender erzielt werden können.

Und da sind wir doch schon jetzt: Look at Tesla! 400 km Reichweite sind bereits heute kein Problem. Mit ganz normalen, derzeit verfügbaren Lithium-Ionen-Zellen. Aufladen am Supercharger ist in sehr kurzer Zeit (< 30 Min.) möglich.

Ja, Tesla ist (noch) teuer. Aber das gilt ebenso für die Brennstoffzelle:

Brennstoffzellen brauchen Platin

Laut einer aktuellen Studie von Roland Berger zur Brennstoffzellentechnologie vom Januar 2014 ist ein großer Kostentreiber und entscheidendes Kriterium bei der Herstellung von Brennstoffzellen das Edelmetall Platin – 40 bis 70 Gramm werden pro Membran-Elektroden-Einheit benötigt. Das hebt den Preis für eine Brennstoffzelle pro Fahrzeug auf derzeit rund 45.000,- €. Die Studie stellt heraus, dass die Brennstoffzelle erst mit platinfreien Systemen ein „signifikantes Marktpotenzial” erreichen kann und kommt zu dem Schluss:

„Auf absehbare Zeit werden daher wohl eher batteriebasierte und hybride Antriebsstränge die Hauptrollen auf dem Weg zur Null-Emissions-Mobilität spielen.”

Akkus ohne seltene Rohstoffe

Hingegen nimmt die Akkuentwicklung gerade Fahrt auf. Sehr interessante neue Technologien (z.B. die Dual-Carbon-Technologie) geben mir berechtigten Grund, mich in den nächsten Jahren auf steigende Reichweiten, kürzere Ladezeiten und fallende Preise zu freuen.

Diese Entwicklung wird viel schneller gehen als einen einsatzfähigen Ersatz für Platin in Brennstoffzellen zu finden und vor allem viel schneller, als eine funktionierende Infrastruktur für Wasserstoff zu etablieren.

Wie man aus der Renault-Gerüchteküche hört, soll es schon in zwei Jahren, also 2016, für die ZOE Akkus für 350 km Reichweite geben. Im Rahmen der Akkumiete soll es dann auch für Bestandskunden möglich sein, zum selben Mietpreis(!) den neuen Akku zu nutzen oder zum reduzierten Mietpreis mit dem alten weiter zu fahren.

Brauche ich da noch ’ne Brennstoffzelle? Nö.

Wasserstoff und Effizienz

Strom zum Antrieb von Automobilen in einem Fahrzeugakku zu speichern ist sehr effizient. Es treten kaum Verluste auf, der Wirkungsgrad von Lithium-Ionen-Akkus liegt bei fast 100%. Der vom Kraftwerk erzeugte Strom kann ohne weitere Energieumwandlungen über die Stromleitung direkt in den Akku eingespeist werden.

Für ein Brennstoffzellenauto hingegen braucht man Wasserstoff. Wo kommt dieser her? Wie gelangt er ins Auto? Und wie effizient arbeitet eine Brennstoffzelle damit, um Strom zu erzeugen? Schauen wir uns das mal an:

Brennstoffzellen-Effizienz

Brennstoffzellen erreichen im praktischen Betrieb einen Wirkungsgrad bis zu 60% (Quelle).

Das heißt, von der durch die Wasserstoff/Luftsauerstoff-Reaktion gewonnenen Energiemenge gehen in der Brennstoffzelle bei der Umwandlung in elektrische Energie wieder 40% verloren. Fast die Hälfte wird also ohne Nutzeffekt verschwendet.

Es kommt aber noch schlimmer:

Wasserstofferzeugung und Transport

Die derzeit wirtschaftlichste und am weitesten verbreitete Methode der „Herstellung” von Wasserstoff ist die sog. Dampfreformierung aus Erdgas (oder langkettigeren Kohlenwasserstoffen aus Erdöl). Durch die Verwendung fossiler Energieträger wird dabei aber genauso viel CO2 freigesetzt wie bei deren Verbrennung (Quelle).

Betrachten wir den Wirkungsgrad dieser Gesamtkette (und setzen dabei den Wirkungsgrad eines Akkus mit nur 0,94 an) (Quelle):

Für ein Brennstoffzellenfahrzeug mit fossiler Wasserstofferzeugung durch Erdgasreformation ergibt sich mit der Energiekette

Dampfreformation → Transport im Gasnetzwerk → Verdichtung → Brennstoffzelle → Akku → Elektromotor

ein Wirkungsgrad von 0,75 × 0,99 × 0,88 × 0,6 × 0,94 × 0,95 = 0,35.

Das sind 65% Verlust, ohne Nutzeffekt verschwendete Energie.

(Bei einer solchen Bilanz scheint es mir fast besser zu sein, den Ausgangsenergieträger Erdgas in CNG-Motoren direkt zu verbrennen als daraus erst mit großem technologischen Aufwand Wasserstoff zu machen und über etliche nochmals verlustbehaftete Umwandlungen zu nutzen. Leider habe ich trotz umfangreicher Recherche keine verlässlichen Zahlen über den tatsächlichen Wirkungsgrad von Erdgasmotoren gefunden. Der dürfte aber auf vergleichbarem Niveau liegen.)

Auch wenn der Wasserstoff aus Biomasse gewonnen wird, wird der Wirkungsgrad nicht besser:

Wasserstoff aus Biomasse → Transport im Gasnetzwerk → Verdichtung → Brennstoffzelle → Akku → Elektromotor

Wirkungsgrad: 0,75 × 0,99 × 0,88 × 0,6 × 0,94 × 0,95 = 0,35.

Immerhin wäre in diesem Szenario die CO2-Bilanz besser.

Wasserstoff kann auch durch Elektrolyse von Wasser erzeugt werden. Dieser Prozess ist allerdings sehr energieintensiv: Zur Herstellung von 1 m³ Wasserstoff (bei Normaldruck sind das ca. 90 Gramm) wird bei modernen Anlagen eine elektrische Energie von 4,3–4,9 kWh benötigt (Quelle).  Der energetische Wirkungsgrad liegt dabei bei 70-80%.

Auch hier wieder die Betrachtung der Gesamtkette:

Für ein Brennstoffzellenfahrzeug mit fossiler Wasserstofferzeugung durch Elektrolyse ergibt sich für die Energiekette

Kohlekraftwerk → Stromtransport → Elektrolyse → Verdichtung → Brennstoffzelle → Akku → Elektromotor

ein Wirkungsgrad von 0,38 × 0,92 × 0,8 × 0,88 × 0,6 × 0,94 × 0,95 = 0,13.

Das ist wirklich unterirdisch, hier haben wir 87% Verlust.

Wird das besser mit Strom aus Sonne statt aus Kohle? Schon, aber der Wirkungsgrad bleibt selbst dann noch schlechter als der der Reformationskette:

Photovoltaikanlage/Wechselrichter → Akku stationär → Elektrolyse → Verdichtung → Brennstoffzelle → Akku → Elektromotor

Wirkungsgrad: 0,9 × 0,94 × 0,8 × 0,88 × 0,6 × 0,94 × 0,95 = 0,32.

Hingegen das akkubetriebene Elektroauto:

Photovoltaikanlage/Wechselrichter → Akku stationär → Akku im Fahrzeug → Elektromotor

Wirkungsgrad: 0,9 × 0,94 × 0,94 × 0,95 = 0,75.

Fazit Effizienz:

Der Gesamtwirkungsgrad eines Brennstoffzellenfahrzeugs von der Wasserstoffherstellung bis zu den Fahrzeuzgrädern (Well-to-Wheel) ist nur als schlecht zu bezeichnen. Der Abstand zu fossil befeuerten Verbrennungsmotoren ist geringer als der Abstand zu akkubetriebenen Elektroautos.

CO2-Vergleich mit Strommix

Im Jahr 2014 lag der CO2-Emissionsfaktor für den Strommix in Deutschland bei 609 Gramm pro Kilowattstunde (Quelle).

Ein Elektroauto wie die ZOE verbraucht etwa 15 kWh/100 km ab Akku. Wird der Akku mit diesem Strommix geladen, ergibt sich rein rechnerisch bei einem als realistisch annehmbaren Wirkungsgrad von 90% ab Kraftwerk ein CO2-Ausstoß von ca. 101,5 g je Kilometer.

Die wasserstoffbetriebene Mercedes B-Klasse Fuel Cell verbraucht laut Hersteller 970 Gramm H2 auf 100 Kilometer (Quelle). Für die Erzeugung dieser 970 g  Wasserstoff durch Elektrolyse müssen nach obiger Rechnung (4,9 kWh für 90 g) 52,81 kWh aufgewendet werden.

Das ist das Dreieinhalbfache des Elektroenergieverbrauchs eines rein akkubetriebenen Elektroautos!

Mit dem oben angesetzten bundesdeutschen Strommix verursacht dieser Wasserstoffverbrauch per Brennstoffzellenauto einen CO2-Ausstoß von ca. 321 g je Kilometer. Das ist noch oberhalb der Liga eines VW Phaeton V8 (308 g/km).

Infrastruktur-Vergleich

Das Stromnetz ist schon da. Ladestationen für Elektroautos lassen sich mit wenig Aufwand praktisch überall installieren. Das Investitionsvolumen ist gering: Schon ab 2.000,- € kann man einen 22kW-Ladepunkt errichten.

Eine Wasserstofftankstelle zu errichten kostet über 1 Mio € (Quelle).

Können Brennstoffzellenautos da ohne Subventionen überhaupt jemals wirtschaftlich werden?

Für eine Million Euro ließen sich 500 einfache Ladestationen für Elektroautos aufstellen.

Eigenerzeugung vs. Abhängigkeit

Der Akku eines Elektroautos lässt sich ohne größere Probleme mit Strom aus der eigenen Photovoltaikanlage oder dem eigenen Windrad laden. Diese Technologie schreit geradezu nach dezentralen Strukturen und entfaltet erst mit der Möglichkeit der Nutzung der Fahrzeugakkus als Pufferspeicher für erneuerbare Energien ihr ganzes Potenzial. Die Energiewende ist ohne flächendeckende Elektromobilität mit akkubetriebenen Elektroautos eigentlich gar nicht realisierbar.

Wasserstoff im eigenen Keller herzustellen, zu speichern und ein Brennstoffzellenauto damit in der heimischen Garage zu betanken dürfte da erheblich aufwändiger sein.

Wenn wasserstoffbetriebene Brennstoffzellenautos im Vergleich zu akkubetriebenen Elektroautos so ineffizient sind, wieso sollen sie dann etabliert werden?

Mein persönlicher Eindruck ist, dass es hier natürlich jede Menge Fördergelder und Subventionen abzugreifen gibt. Aber wollen wir Steuerzahler dafür Geld ausgeben?

Und wer könnte ein Interesse daran haben, die Abhängigkeit Verbrennungsmotor ↔ Tankstelle im Szenario Brennstoffzelle ↔ Wasserstofftankstelle fortzuschreiben?

Machen wir uns nix vor, es gibt Kreise, denen eine Aufrechterhaltung genau solcher Abhängigkeit echt gut in den Kram passen würde.

Tja. Elektroautos kippen die etablierten „Wertschöpfungsketten”. Wie subversiv.


Nachtrag Mai 2015:

Horst Lüning über Wasserstoff Autos: