Die Abrechnung des Ladestroms für Elektroautos an öffentlichen Ladestationen gestaltet sich nach wie vor kompliziert. Eichrechtliche Vorgaben erschweren die Abrechnung nach Verbrauch (kWh), Pauschalpreise oder Zeittarife benachteiligen bestimmte Fahrzeugklassen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat am 24.08.2018 ein Rechtsgutachten veröffentlicht, das die Zulässigkeit verschiedener Tarifmodelle im Hinblick auf die Preisangabenverordnung (PAngV) bewertet, mit eindeutigen Ergebnissen.
Eichamt sagt nein
Früher war die Ladestromabrechnung einfach. Da stöpselte ich meine ZOE an irgendeine Ladestation an, und entweder war das Laden kostenlos oder es wurden die von mir verbrauchten kWh abgerechnet, wie zu Hause auch. (Kompliziert war nur das Heraussuchen der richtigen Ladekarte zum Freischalten der jeweiligen Ladesäule, aber das ist ein anderes Problem.)
Dann kam das Eichamt und sagte: Moment mal. Befindet sich in der Ladesäule denn auch ein geeichter Stromzähler? Kann der von außen abgelesen werden? Ist die Übertragung der Abrechnungsdaten von der Säule zum Abrechner in allen Phasen abgesichert und manipulationssicher?
Fast immer lautete die Antwort auf alle drei Fragen: Nö.
Da sagte das Eichamt: Nö. So geht das nicht. Abrechnung nach realem Verbrauch (kWh) nur unter den o. g. Voraussetzungen.
(Siehe auch Merkblatt „Eichrechtliche Grundlagen im Bereich der Elektromobilität“ der Arbeitsgemeinschaft Mess- und Eichwesen (AG ME).)
Das ist grundsätzlich ja auch vollkommen in Ordnung, denn es schützt die Stromverbraucher vor Abrechnungsfehlern und Abrechnungsbetrug.
(Allerdings sollte man die Verhältnismäßigkeit im Auge behalten: Um welche Beträge kann es hier gehen?)
Workaround
Was nun? Alle bestehenden Ladestationen, die diese Bedingungen nicht erfüllen, nachrüsten? Was kostet das? Wer zahlt das?
Die nicht mal eben so einfach erfüllbaren eichamtlichen Vorgaben einer verbrauchsbasierten Abrechnung führten daher zu einem von fast allen Anbietern vollzogenen Wechsel des Tarifmodells: Statt die verbrauchten kWh abzurechnen, wird aktuell meist ein Minutenpreis verlangt (zeitbasierte Abrechnung) oder ein Pauschalpreis pro Ladevorgang („Session Fee“) erhoben.
Ungerecht
Dies sind jedoch beides Verfahren, die bestimmte Fahrzeugklassen benachteiligen und andere begünstigen.
Wird die Ladung nach Zeit abgerechnet, sind schnellladefähige Elektroautos im Vorteil: Sie laden in kurzer Zeit viel Strom, eine kWh ist daher relativ günstig. Für langsamer ladende Fahrzeuge hingegen wird es teurer, denn es dauert ja länger, den Akku voll zu bekommen.
Wird die Ladung pauschal abgerechnet, sind Fahrzeuge mit großem Akku im Vorteil: Sie bekommen zum gleichen Preis mehr Strom als Fahrzeuge mit kleinem Akku.
Rechtsgutachten – was ist zulässig?
Das für die Preisangabenverordnung federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat dies zum Anlass genommen, ein „Rechtsgutachten zur Anwendbarkeit von § 3 Preisangabenverordnung (PAngV) auf Ladestrom für Elektromobile sowie zur Zulässigkeit und Vereinbarkeit verschiedener am Markt befindlicher Tarifmodelle für Ladestrom mit den Vorgaben der PAngV“ zu erstellen.
(Sollte dieser Link irgendwann nicht mehr funktioniern, gibt es hier das von mir heruntergeladene Rechtsgutachten als PDF-Dokument.)
Das Gutachten kommt zu eindeutigen Ergebnissen:
Vereinbar mit § 3 PAngV sind demnach folgende Abrechnungsmodelle:
- verbrauchsabhängige Abrechnung von Ladestrom nach Kilowattstunden (kWh)
- verbrauchsunabhängige Flatrate mit Vertrag
(Eine Flatrate ist hier nicht zu verwechseln mit einem Pauschalpreis aka Session Fee pro Ladung. Flatrates müssen mindestens für einen Monat gelten.)
Unzulässig sind folgende Abrechnungsmodelle:
- Verbrauchsunabhängige Zeittarife auf Vertragsbasis
- Session Fees mit Zeittarifen
- Session Fees mit Einmalzahlung
Nach dieser Rechtsauffassung sind nahezu alle aktuell angewendeten Abrechnungsmodelle mit Zeittarifen und Pauschalpreisen pro Ladung unzulässig.
Sie werden jedoch für einen Übergangszeitraum bis zum 1. April 2019 durch die Vollzugsbehörden toleriert.
Einschätzung
Es zeigt sich wieder einmal, wie unkoordiniert der Umstieg auf Elektromobilität hierzulande erfolgt. Die Abrechnungsprobleme waren schon abzusehen, noch bevor die erste Ladesäule aufgestellt wurde. Flickwerk, wohin man schaut. Zuträglich ist das alles der Elektromobilität nicht.
Ab 1. April 2019 dürfen sich Elektroautofahrer*innen immerhin über gerechtere Tarifmodelle für öffentlichen Ladestrom (Abrechnung nach kWh) freuen. Die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen dürften diesen jedoch nochmals verteuern.
Wenn aber Fahren mit Strom teurer ist als Fahren mit fossilen Brennstoffen, ist ein Umstieg für die meisten unattraktiv.
Also, was wollen wir?