Ich fahre ja öfter längere Strecken mit der ZOE, die über die einfache Reichweite dieses Elektroautos (Sommer: 160km, Winter: 120km) hinausgehen und mindestens eine Zwischenladung erfordern:
- nach Dortmund
- in den Harz
- nach Bremervörde
Das ist mittlerweile schon fast Routine, und Dank der immer besser werdenden Infrastruktur (besonders der sich schnell mehrenden 43kW-AC-Crowdfunding-Ladestationen) auch gut zu bewältigen.
Ende März war ich mal in Berlin, das war mit rund 300km meine bislang weiteste Strecke, die ich am Stück (mit 3 Ladepausen) gefahren bin.
Letztes Wochenende stand ein Verwandtenbesuch in Alzey an, das liegt südlich von Mainz. Rund 430km – meine bis dato längste ZOE-Reise. Auf geht’s!
Streckenplanung
Mit dem GoingElectric-Routenplaner ist die Planung der Ladehalte relativ einfach.
Bei längeren Strecken mit dem Elektroauto (Teslas mal außen vor) sollte man das Kilometerschrubben und Schnell-Ankommen-Wollen loslassen und sich wieder der Qualität des entschleunigten Reisens öffnen. Gelingt dies nicht, kann es frustrierend oder abschreckend wirken, für eine Strecke von rund 430km insgesamt (mit Ladepausen) länger als 8 Stunden unterwegs zu sein. Gelingt es aber, wird man nicht nur entspannt reisen, sondern auch entspannt ankommen und mit schönen Erlebnissen unterwegs belohnt.
Ich suche mir Ladepunkte heraus, die entweder sehr kurze Ladezeiten ermöglichen oder das Unerlässliche mit dem Angenehmen verbinden – schöne Gegenden und Gastronomie, um die Ladeweile entspannt zu verbringen.
Weitere Rahmenbedingungen sind, dass die Ladepunkte zu den Zeiten, zu denen ich dort Station mache, auch zugänglich sind und dass sie funktionieren. Letzteres lässt sich einigermaßen aktuell durch die Ladelog-Einträge im GoingElectric-Verzeichnis verifizieren.
Schließlich muss man das Höhenprofil der Strecke beachten, da bergauf natürlich mehr Energie verbraucht wird, die dann der Reichweite fehlt, falls es sich auf dem jeweiligen Streckenabschnitt nicht ausgleicht.
Für die 430km benötige ich drei Ladehalte. (Hätte ich einen Tesla, könnte ich in einem Rutsch durchfahren…)
Hier meine Strecke im Überblick:
Hier das Höhenprofil:
Der Partner Acceptance Factor für diese Tour liegt bei uns bei exakt Null – folgerichtig fährt meine Liebste mit dem Zug und ich mache mich mit unserer betagten Labradorhündin in der ZOE auf den Weg.
Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, von Freunden einen Verbrenner zu leihen. Jedoch – irgendwie sträubt sich alles in mir dagegen, lärmend und stinkend unterwegs zu sein. Es geht einfach nicht mehr. Ich kann nicht zurück. 😉
Ich betrachte diese Tour auch als Generalprobe für die geplante Urlaubsfahrt nach Österreich im Juli.
Unterwegs
1. Etappe: Benthe – Göttingen
Es ist Freitag, der 12. Juni 2015. Wir brechen relativ früh auf: Gegen 7 Uhr rollen wir lautlos mit 100% voll geladener ZOE von zu Hause los. Die Temperaturen sind reichweitenfreundlich, es soll ein warmer Tag werden. Unterwegs werden wir später die 30°C-Marke überschreiten.
Erster Ladehalt soll die Schnellladestation am Kaufpark in Göttingen werden. Dort stehen kostenlos 43kW AC Ladeleistung zur Verfügung, die die ZOE auch abrufen kann. Damit hat sie in weniger als 30 Minuten wieder genug Saft für die nächste Etappe.
Auf der Autobahn wären es bis Göttingen rund 130km. Ich entscheide mich aber für die fast 20km kürzere Strecke über die B3, was kaum länger dauert und schöner ist. (Auf dem Rückweg nehme ich dann doch die Autobahn, um es mal auszuprobieren.)
Viertel vor 9 komme ich an der Ladestation an und bin sofort extrem frustriert: Am einzigen 43kW-AC-Anschluss hängt ein e-Golf und nuckelt vor sich hin. Ein Fahrer bzw. eine Fahrerin ist weit und breit nicht zu sehen. Ein e-Golf! Nichts liegt mir ferner als Schnellladefähigkeits-Chauvinismus, aber hallo? Entweder der e-Golf hat einen (aufpreispflichtigen) CCS-Anschluss für schnelle DC-Ladung, dann hängt er am falschen Kabel (denn die Ladestation hat auch CCS) – oder er hat keinen, dann hängt er im Prinzip am richtigen, kann da aber nur max. 3,6kW Ladeleistung ziehen! Da steht er und blockiert solchermaßen schnarchladend den 43kW-Anschluss, den ich für zügige Weiterfahrt dringend bräuchte.
Letztlich liegt es nicht wirklich an potenzieller Ignoranz. Da steht eine Ladestation, das Kabel passt, also schließt man sich an. Das ist völlig legitim, auch wenn es den gleichen Effekt für mich hat wie wenn ich mit einem Verbrenner an der Tankstelle stünde und warten müsste, weil der Typ vor mir seinen 60-Liter-Benzintank mit einem Strohhalm befüllt.
Was hier fehlt, sind neben dem Schnelllader einfach eine ganze Reihe zusätzlicher preiswerter Ladeanschlüsse mit kleiner Ladeleistung, die für Fahrzeuge wie den e-Golf vollkommen ausreichend sind. Dann blieben die Schnelllader frei für die, die wirklich schnelle Aufladung benötigen (und schnell laden können), weil sie weiter wollen.
Nun, zum Glück gibt es seit kurzem noch eine 43kW-Alternative in Göttingen, die ich nutzen kann: den Schnelllader am Geismartor. Ich fahre ca. 4km stadteinwärts, biege auf den Parkplatz ein und finde: einen am 43kW-AC-Anschluss ladenden Tesla. Menno!
Hier muss man Parktickets lösen, und ich schaue durch die Windschutzscheibe, wie lange der Tesla hier noch stehen wird – es sind zum Glück nur noch wenige Minuten. Als ich aufblicke, winkt mir schon der Fahrer zu, der sich dann als Forumskollege CarstenM entpuppt. Nice to meet! 🙂
Er macht Ladeplatz und Anschluss frei und ich stöpsele die ZOE an. Puh, Glück gehabt! Die nächste Alternative wären „nur” 22kW im Parkhaus Groner Tor gewesen. Aber so ist die ZOE schon 25 Minuten später wieder auf 96% – genug für die nächste Etappe plus großzügige Reichweitenreserve.
2. Etappe: Göttingen – Schloßhotel Friedewald
Als zweiten Ladehalt habe ich mir die 22kW-Ladesäule am Schloßhotel Friedewald herausgesucht und fahre auch diesen Streckenabschnitt nicht auf der Autobahn. Das hat mehrere Vorteile: Erstens hat die Strecke von Göttingen aus über die B27 ein günstigeres Höhenprofil (ich vermeide die Kasseler Berge), zweitens ist sie landschaftlich schöner, drittens ist kaum Verkehr und viertens werde ich hocherfreut feststellen, dass es am Ziel einen wunderschönen Schlosspark gibt, in dem meine Hündin und ich die Ladeweile verbringen können.
Etwas unsicher bin ich, weil im GoingElectric-Ladelog für diese Ladestation steht, dass die Ladekarte, die man sich an der Hotelrezeption ausleihen kann, kürzlich nicht funktioniert hat. Ich verstehe zwar nicht, warum man Ladesäulen, die Strom ohnehin kostenlos abgeben, überhaupt irgendwie freischalten muss, aber egal. Ich rufe vorher im Hotel an und frage nach. Von einer nicht funktionierenden Ladekarte ist dort nichts bekannt. Das kann heißen, sie funktioniert (inzwischen) wieder, das kann aber auch heißen, die Rezeptionsmitarbeiter wissen es nur nicht. Es bleibt ein Restrisiko, das ich aber eingehen will.
Von Göttingen über die B27 nach Friedewald sind es ca. 96km. Sollte es wirklich mit der Leihkarte nicht funktionieren, gibt es 10km weiter in Bad Hersfeld eine 22kW-Ladesäule bei einem Mitsubishi-Händler, die ich noch anfahren kann. Die ist zwar nur zu den regulären Öffnungszeiten des Händlers nutzbar, aber Freitag Mittag ginge das ja.
Kurz vor Eschwege missdeute ich einen Straßensperrhinweis und folge mehrere Kilometer einer Umleitung, bis ich merke, dass hier irgendwas nicht stimmen kann. Ich muss zurück und erkenne meinen Irrtum. Nicht die Straße bei Eschwege ist gesperrt, sonder nur die Zufahrt zu einem Gewerbegebiet. So etwas kann einen bei sehr knapper Reichweitenkalkulation schon in die Bredouille bringen. Aber ich habe eine mehr als großzügige Reserve.
Hinter Eschwege gibt es noch einen Zwischenfall mit meiner Hündin. Seit Göttingen sitzt (statt liegt) sie hinten und hechelt. Ich schiebe es auf die kurvenreiche Strecke und rede ihr immer wieder beruhigend zu. Aber es sind nicht die Kurven, sondern es ist – Durchfall. Ich raffe es erst, als ich plötzlich eindeutige Geräusche von hinten höre. Oh je! Meine arme Hündin! Das passiert wirklich nur in allerhöchster Not, und im Auto hat sie das noch nie gemacht. Ich habe sie einfach nicht verstanden. Wenn sie wenigstens mal gefiept hätte! Aber in ihrem hohen Alter (14) kommt sowas vielleicht auch für sie selbst überraschend.
Glücklicherweise ist direkt, als es passiert, vor uns ein Parkplatz. Ich biege ein, halte und lasse erstmal meine Hündin aus dem Wagen. Sonst muss ich sie immer über die Ladebordkante heben, aber diesmal springt sie mir entgegen, direkt auf den Boden. Im Gebüsch entleert sie sich dann noch ein paar Mal. Mea culpa! Ich kümmere mich um das Malheur im Kofferraum. Es erweist sich zum Glück als relativ schnell und sauber zu entsorgen – mitsamt dem Handtuch, auf dem sie gelegen hat. Eins hab ich noch dabei.
Nachdem sich alle etwas beruhigt haben und Geruch und Fliegen aus dem Auto verschwunden sind, fahren wir erstmal weiter. Noch 30km bis zum Etappenziel. Da können wir uns dann ausruhen und ich entscheide, ob wir die Tour fortsetzen oder doch lieber zurückfahren, je nach Zustand meiner Hündin. Als wir gegen halb 12 am Schlosshotel ankommen, macht sie aber einen fitten Eindruck, und da es nun zum Ziel genauso weit ist wie zurück nach Hause, setzen wir die Reise fort.
Aber erstmal lade ich die ZOE wieder auf. Bei Ankunft hat sie noch 27%, ich hätte die Ladezeit in Göttingen also noch deutlich verkürzen können. Jedoch gehe ich bei unbekannten Strecken und Ladeverhältnissen am Ziel lieber auf Nummer sicher. Ich stöpsele sie ein und gehe zur Hotelrezeption, die Ladekarte holen.
Erleichterung: Sie funktioniert! Super. Man braucht sie zwei Mal: zum Starten des Ladevorgangs und am Ende zum Befreien des Ladesteckers aus der Säule. Warum einfach, wenn es auch umständlich geht?
(Auf dem Rückweg probiere ich einfach mal meinen neuen PlugSurfing-Schlüsselanhänger an dieser Ladesäule aus – und siehe, es funktioniert!)
Die Ladeweile verbringen wir in dem wunderschönen Schlossgarten, sehr gepflegt, mit angelegtem Bachlauf und vielen Bänken und lauschigen Plätzchen. Das ist so angenehm, dass wir sogar ein wenig die Zeit verpeilen und länger bleiben, als es für die Ladung für den nächsten Streckenabschnitt erforderlich wäre.
Leider habe ich keine Fotos von diesem Ladehalt gemacht.
Um halb eins fahren wir weiter.
3. Etappe: Schloßhotel Friedewald – Landhaus Klosterwald in Lich
Als nächsten Ladehalt habe ich einen 22kW-Ladepunkt am Landhaus Klosterwald ausgesucht. Bis dahin sind es 106km. ZOE zeigt nach dem Laden über 160km Reichweite an, also alles im dunkelgrünen Bereich.
Jetzt nehme ich die Autobahn und lasse die ZOE gemütlich mit Tempomat 96 km/h laufen. Kurz vor 14 Uhr kommen wir mit 40% SOC am Landhaus an. Wir hätten also auch in Friedewald die Ladezeit fast um die Hälfte verkürzen können.
Toller Service vom Landhaus, eine Ladestation aufzustellen! Gäbe es dort keine, wäre ich wahrscheinlich nie im Leben dort hingekommen. So konnten sie mich zwei Mal als Gast gewinnen, ein Mal auf der Hinfahrt und noch einmal auf dem Rückweg.
Wir lassen uns Zeit und machen im Schatten auf der Terrasse des Landhauses eine ausgedehnte Mittagspause. Die wird wieder viel länger als nötig, aber das liegt diesmal auch daran, dass meine Bestellung ziemlich lange braucht, bis sie mich erreicht. Die beiden Servicekräfte müssen noch eine Hochzeitsgesellschaft bedienen. Und ich habe ja Zeit, so what. 😉
Kurz nach 15 Uhr brechen wir zur letzen Etappe unserer Reise auf.
4. Etappe: Landhaus Klosterwald – Alzey
Noch rund 120km bis Alzey. Wir bleiben auf der Autobahn. Inzwischen ist es Freitag Nachmittag, und mit Einfahrt in den Großraum Frankfurt/M. / Mainz wird es ziemlich voll.
Die Außentemperatur steigt jetzt über 30°C, aber die Klimaanlage der ZOE sorgt für angenehmes Ambiente im Inneren bei sehr moderatem Verbrauch. Es macht übrigens auch beim Kühlen einen Unterschied aus, ob man im ECO-Modus fährt oder nicht: Mit ECO aus wird die einströmende Luft nochmal deutlich kühler und auch die bewegte Luftmenge wird größer.
Durch den dichten Verkehr und eine weitere Umleitung verzögert sich unsere Ankunft etwas. Gegen 16:45 Uhr erreichen wir Alzey, mit 22% SOC.
Alzey selbst hat noch keine öffentliche Ladestation; hier lädt die ZOE über Nacht an Schuko in der Garage unserer Verwandten, ziemlich genau 12 Stunden bei 13A bis 100% inkl. Balancing.
Fazit Hinfahrt:
Fast 10 Stunden Reisezeit für 430km. Ist nicht jedermanns Sache. Ging aber sehr gut. Ich habe zwei schöne Orte kennengelernt und bin null gestresst.
Die Rückfahrt
Sonntag früh gegen 8 Uhr starten wir wieder nach Hause. Ich überlege erst, eine etwas andere Route mit anderen Ladehalten zu fahren (ausschließlich Autobahn), aber dann denke ich: Wozu? Ich kenne jetzt diese Strecke, ich kenne die Ladehalte auf dieser Strecke, weiß, dass sie funktionieren und was mich erwartet und kann daher die Ladezeiten optimieren – sprich: verkürzen.
Ich traue mich nun auch, auf den ersten Streckenabschnitten mit etwas höherer Geschwindigkeit zu fahren (Tempomat 100km/h).
Im Endeffekt spare ich so fast zwei Stunden Reisezeit ein und schaffe den Rückweg insgesamt in nur knapp 8 Stunden.
Frühstückskakao im Landhaus Klosterwald, Mittagspause im Schlosspark in Friedewald, Schnellladen am Kaufpark in Göttingen (diesmal frei), meiner Hündin geht’s gut – läuft alles super.
Den letzten Abschnitt von Göttingen nach Benthe fahre ich diesmal Autobahn, das braucht nicht so viel Aufmerksamkeit: Tempomat ein und gut. Mit 8% SOC komme ich kurz vor 16 Uhr zu Hause an.
Fazit
Noch längere Strecken würde ich an einem Tag nicht fahren wollen, aber 3 Ladehalte sind absolut OK und so werde ich auch meine Urlaubsreise planen, dann mit Übernachtungen.
Ladekosten: offiziell keine. Schelllader Göttingen: kostenfrei (nur auf dem Hinweg 70 ct Parkgebühren gezahlt). Ladestation Schlosshotel Friedewald: kostenfrei (habe auf dem Hinweg ein Trinkgeld an der Rezeption für das Ausleihen der Ladekarte hinterlassen). Landhaus Klosterwald: kostenfrei (entsprechendes Trinkgeld gegeben).
860km ohne Emissionen und ohne Lärm zurückgelegt.
Habe ich schon erwähnt, dass ich die ZOE und das elektrische Fahren total toll finde? 😀